Romy Rüegger schreibt nach der Performance «Death Asshole Rave Video» von Jeremy Wade am Mittwoch 17.6.2015 anlässlich des Performance Projektes der Liste 2015 kuratiert von Eva Birkenstock im Jungen Theater Basel.
Ein Clown liegt am Boden, verdreht die Augen und grinst. Die Zuschauerinnen werden über ihn steigen, um den Raum zu betreten. Und das ist unangenehm. Der unberechenbare weisse Clown wird einem in diesem Stück nichts ersparen. So wie ihn das Hollywoodkino als Joker und Gegenspieler von Batman inszeniert und wie der Titel des Stücks schon sagt: ein richtiges Arschloch.
In die kleine Blackbox ist ein White Cube aus weichem Tuch eingelassen, das Publikum sitzt auf dem Gradin davor. Wir haben neunzig Minuten spielfilmlänge Zeit, um uns auf unseren Stühlen im stickigen Theater unwohl zu fühlen.
Wade spielt mit sich selbst Technoparty. Dabei springt er zwischen Erzählungen von privatem und öffentlichem Scheitern, erzählt anhand persönlicher Erlebnisse und struktureller Kritik am Kunstbetrieb. Mit den rhetorischen Mitteln des Jokers, des bad boys, des ADS-Kindes unter den Kunstfiguren, dessen geschmackloser Humor sich manchmal sogar als Jeremy Wade ausgibt, regt er auf und langweilt zugleich. Die Zuschauer macht er dabei zu Konsumenten, involviert sie mit persönlichen Geschichten und lässt sie gleich darauf unverhofft auf den Allgemeinplätzen des Zynismus fallen.
In den Sprüngen zwischen den Registern vertut sich der Joker nie. Regelmässige Kostümwechsel, zielsichere Attacken entlang der (vermuteten) Schmerzgrenze der Zuschauerinnen. Einige gehen, die meisten bleiben. Alles auf Englisch – Jeremy Wade scheint damit zu rechnen, dass im Publikum die gutgebildete Mittelschicht sitzt, Übertitel braucht es deshalb keine.
Auch ich habe nun beinahe vergessen, dass das hier auf der Bühne nicht Jeremy Wade ist, der bereits halbnackt und mit einem verzerrten Silikonabguss der Freiheitsstatue auf dem Kopf, in Plateaustiefeln, die irgendwie die letzten zwanzig Jahre seit den grossen Raves in einem Estrich unbeschadet überstanden haben, über seine Kindheit in der U.S. amerikanischen Pampas erzählt. Die Homophobie dort, etwas mit seinem Vater, die A.I.D.S. Krise und die damit einhergehende Stigmatisierung und Diskriminierung homosexueller Sexualpraktiken im Allgemeinen, die Schliessmuskulatur im Besonderen. Um den Tod geht es, darum den Tod zu überwinden.
Bässe, die noch etwas lauter sind als die Höhen bei Miguel Gutierrez in seiner Cruising Show zu mid-career artist / suicide notes, die sich nicht ganz unähnlich im Setting mit dem queer failure, mit Kostüm und Rollenwechseln, dem Vergehen der Zeit und der Körper befasst. Auch hier ging es um nicht normativen Sex und den Kunstbetrieb, was man darf und was nicht, was sich verkauft und was nicht.
Anales, analer Sex, der Anus mal von innen gefilmt und auf die Tuchwände projiziert: das sieht aus wie eine Fahrt durch einen Tunnel, nur die Scheisse fehlt und um die geht es eigentlich in diesem Stück. Die Lockerung des Schliessmuskels im Alter, vom Sex oder vom Scheissen und wie man ihn trainieren kann. Dazwischen geht es um die Bezahlung von Künstlern – die ist schlecht, oder eben verschissen – es geht darum, dass wir in einer Zeit leben, in der die Künstler ausgebeutet werden. Sich selbst ausbeuten? Entspanntes Zurücklehnen also, weil ich etwas wieder erkenne. Vielleicht ist es auch nur der schemenhafte Gebrauch einer universellen, auf Schlagworten basierenden Sprache, die in ihrem Anspruch und ihrem affirmativen Gebrauch ins Leere läuft und es dabei offen lässt, ob dieses Phrasen-Sampling tatsächlich als konzeptuelle Strategie verwendet wird.
Der Joker springt gerade wieder in die Rolle von Jeremy Wade und erzählt als er selbst von der Art Basel, die eben ein paar Strassen weiter eröffnet wurde. Einige Sätze zur Kritik am Kunstmarkt folgen. Der Text sei mit Ezra Green verfasst, es gehe um gegenwärtige Formen der Ökonomisierung von jedem und allem, ganz besonders vom Privaten und von Subkultur. Auch das hat im Weitesten mit Techno und Tod zu tun.
Ob Jeremy Wade auch gerade eben die Performance von Julian von Bismarck am Eingang zur Art Unlimited gesehen hat? Vom nie enden wollenden Geniekult einer weissen, männlichen, um sich selbst drehenden Elite? Ich schweife ab zu künstlerischen Taktiken jenseits neoliberaler Selbstausbeutungs- und Vereinzelungsmanöver.
Meine Begleitung verlässt den Saal. «Auf keine Fälle werde ich klatschen», sagt sie dabei und ich vermute den Joker freut’s. Dieser hat sein schwarzes Wuschelcape – noch so ein unglaubliches Techno-Fetisch-Kleid, das ich gerne einmal anziehen würde, wäre es nicht so heiß – direkt aus dem 3D-Renderingprogramm des neusten post-internet Druckers gezogen und nun huscht er im Krankenschwesternkostüm – Fetisch und Techno-Outfit Nummer fünf – den weissen Stoffwänden entlang. Der Whitecube im Blackcube wird nun zum Krankenhaus, es geht noch immer um den Tod, das Sterben. Das holt mich ins Stück zurück, das auch längst hätte enden können.
Was braucht das Scheitern um zu gelingen – gekonntes Zitieren und dramaturgisches Können, ein kluges Spiel mit Rollen und Klischees, antwortet mir Jeremy Wade. The queer art of failure kommt mir beim Aufstehen in den Sinn, feeling bad. Und ich ertappe mich dabei, das Stück im Kopf umzuschreiben – als Körperlichkeit, welche die Produktivitätskette der Schlagworte und Stereotypen durchbrechen würde, die sich dadurch angreifbar und angegriffen zeigt.
Jeremy Wade«Death Asshole Rave Video»Text in Zusammenarbeit mit Ezra Greenjunges theater basel, 17.Juli 2015 – LISTE performance programm project
→ siehe auch Text von Andrea Saemann über dieselbe Performance