Susanne Kudorfer: Worte finden
Susanne Kudorfer schreibt auf Einladung der International Performance Art Giswil – Full Moon Edition und im Kontext ihres Angebotes «Worte finden» über die Performances vom Samstag, 14.9.2019 in der Turbinenhalle Giswil.
Notizen aus den Gesprächen von Verena Berchtold, Franz Müller, Claudia Tolusso, Brigit Zumstein und Susanne Kudorfer
Vorher Gedanken von Susanne über die wir kurz beim kennen lernen im Hotel Bahnhof reden: Über Performance sprechen ist anders als über andere Kunst z.B. in einem Museum. So ein Bild an der Wand hält still. Wir können uns zeigen was wir meinen, wenn wir beschreiben was wir wahrnehmen. Wir können beim Denken deuten, uns während dem schauen ausdrücken und austauschen. Gemälde oder Fotos nehmen wir vor allem durch die Augen auf. Doch sind wir immer auch im Raum – eine Art von Gegenüber in einer Art von Situation. Allein, in einer Gruppe, mit anderen Museumsbesucherinnen. Bei Performances spielt diese Art von Wahrnehmung auch eine Rolle: was wir sehen, wie wir uns im Raum befinden, verhalten, bewegen, orientieren, anderen begegnen. Dazu kommt die Zeit, der Verlauf, das sich ereignen einer Performance mit Anfang und Ende. Performance hält nicht still. Sie ist vorbei, wenn wir darüber reden. Wir können das was wir sehen nicht mehr zeigen, nicht vergleichen während wir es wahrnehmen. Klänge, Geräusche, Worte erreichen uns, vielleicht werden wir direkt angesprochen, aufgefordert etwas zu tun – oder eben nicht. Wir sind mittendrin, nehmen etwas auf, kommen mit, wundern uns, verspüren vielleicht auch Widerstand, Unwillen, Unverständnis oder sind im Einklang. Jede und jeder von uns wird die Performances anders wahrnehmen, etwas Anderes darin sehen und verstehen. Wir machen uns unseren Reim drauf.
Während In den Pausen zwischen den Performances stehen wir zusammen, unterhalten uns, essen gemeinsam zu Abend. Was ist uns hängen geblieben? Was hat uns berührt, gestört, aufgeregt oder kalt gelassen? Wir reden über jede einzelne Performance, später vergleichen wir auch, stellen gegenüber.
Nachher Für das Resonanztreffen am Sonntag fasse ich Aussagen, Erinnerungen und Wahrnehmungen aus meinen Notizen und den Gesprächen zusammen – knapp und unter thematischen Titeln.
Fülle Anschauen – das Gegenüber einbeziehen – mit dem Ort und was da ist arbeiten Wir mochten wie Brian Patterson wenige vorgefundene Gegenstände im Raum und mit seinem Körper in Bewegung brachte. Das ausloten und verwandeln. Kippt er oder nicht? Lässt er den Stuhl los und schleudert ihn in die Runde? Ein Stein rollt uns vor die Füsse, der andere wird Sonnenuhr.
Verbindungen Die Steine verbanden sich mit der Arbeit der Kinder. Aus den Ecken in die Mitte. Ich finde kein Wort für das Geräusch vom Stein auf dem Boden. Es klingt schwer und reibend, heller auf den Fliesen. Anders reibend rascheln die Hände aneinander. Zwei von uns hatten verbundene Augen, warteten auf Erlösung und rätselten was da klingelt. Ich sehe Menschen jeden Alters mit Schnur-Hörern spielen und auf verschiedenen Wegen Klänge erzeugen. Strahlende Gesichter, offene Münder, Berührung.
der Ernst der Lage (durchgestrichen) KRISE Einzug der Gladiatorin in Broken Times.
Was können wir angesichts des billigen Theaters von gelben Clowns noch ausrichten?
Ich verstehe längst nicht jedes Wort und finde keine, die gut ausdrücken was ich sehe, höre, spüre.
Zerrissen hymnisch direkt trashig auf den Punkt hilflos krass relevant souverän
Der Tanz auf dem Geld, «live on your own» und «where do we belong» werden mir noch lange durch den Kopf gehen.
wie wird Nacktheit eingesetzt darüber diskutieren wir länger
Verletzlichkeit machtvoll und Stärke und ironisch
Arschbackenrhythmus Hosen runter kalte Füsse
kraftvoll kauernd ausharren Anspannung nach innen und nach aussen kompakt und felsenfest gegenüber dem Dröhnen, der Sirene
laut und gestikulierend ab durch die Mitte raus
alles wird dauernd Bild das Bild- und Film machen zeigen, zur Schau stellen pinselnd die Kamera führend ausdauernd knapp und sec improvisierend verspielt tänzerisch geduldig
vermisst bei den letzten Festival Editionen hatte unsere Gruppe sehr gerne die Ortswechsel auch draussen zu sein Zeit zwischendrin beim Gehen die Bezüge zum Ort und zur Umgebung
Moment Sehr geblieben ist mir der Moment als Stuart Brisley die Plastikfolie auf der er stand zusammenraffte. Die Bewegung brachte das Stativ mit dem Mikrophon fast zum Umkippen. Stuart bemerkte es, wurde weniger heftig, blickte sich im Gehen um. Langsam zog er weiter an der Folie. Dabei erzeugte der Ständer mit dem Mikrophon ein zartes schleifendes Geräusch das ausgekostet wurde.
ein paar Tage später Was würde ich bei einem anderen Gespräch anders machen? Versuchen aus den schnellen Wertungen raus zu kommen. Wie könnte das gehen? Mehr beschreiben was wir wahrnehmen, nicht gleich gut oder schlecht finden. Ein Hilfsmittel könnte sein, dass wir versuchen aus jeder Performance ein Bild, das uns im Kopf bleibt zu beschreiben. Braucht es die Resonanz der Gruppe beim Treffen am Tag danach in der Runde? Geht das ohne die Anwesenheit der Beteiligten? Ich finde ja. Für mich hat es so gestimmt. Es wäre aber auch anders möglich. Schade für die Gruppe, dass sie die Feedbacks und Ergänzungen der Künstlerinnen und Künstler nicht gehört haben. Und dass ihr das wunderbare Mittagsmahl entging.
Vielen Dank für die Tage und Abende in Giswil. Herzlich. Susanne
Performances von:Jacques & Sofie Berchtold, Dario Camenzind, Lars Kiser, Laurin Leuthold, Fajar & Zainab Ameer Zaman aus dem Workshop «Hören Spielen» mit Misha Andris, Martina Gmür & Andrea KramerCatherine Hoffmann: «6 Songs for Broken Times»Anne Rochat & Sarah Anthony: «Pultes»Lysann König mit Simon Sauerkraut, Roland Bürki, Meta Hammel: «Lay Down»Stuart Brisley: «Sound Bite / Acid Rain»